Die Planung
Die Planung
Statt eines Reisepasses gab es eine „Reiseanlage für den visafreien Reiseverkehr“, die zusammen mit dem Personalausweis beim Grenzübertritt zu den sozialistischen Bruderländern vorgelegt werden musste. Die zu bereisenden Staaten waren vermerkt, und die Aufenthaltsdauer war festgelegt.
Offiziell gab es keine Individualreisen für DDR-Bürger im Land des großen Bruders ohne Reisegruppe, persönliche Einladung, ohne plausiblen Grund, ohne festes Ziel. Man brauchte gültige Reisedokumente, um die Grenze der Sowjetunion zu passieren und um eine Fahrkarte zu kaufen. Diese Dokumente mussten bei den damaligen Behörden beantragt werden.
Eine Chance in die Sowjetunion als DDR-Bürger einreisen zu können, bestand mit der Beantragung eines Transitvisums. Die Sowjetunion wurde nicht als Reiseziel angegeben, sondern als Durchreiseland. Mit diesem Visum konnte man offiziell einreisen. Der Aufenthalt im Land war damit bis zu drei Tagen möglich.
Geschichtlich gesehen ein Kuriosum, denn diese Reiseregelung stammte aus der Zeit des Prager Frühlings 1968. Die Grenzen zur Tschechoslowakei wurden damals geschlossen. Dem DDR-Bürger war damit der Reiseweg nach Ungarn, Rumänien und Bulgarien abgeschnitten. So wurde eine Möglichkeit geschaffen, diese Länder über Polen durch die Sowjetunion zu bereisen. Die Sowjetunion war somit Transitland.
Und der Witz der Geschichte: Diese Regelung wurde nicht wieder aufgehoben.
Eine Antragstellung erfolgte bei der zuständigen Volkspolizei-Meldestelle. Es mussten überzeugende Gründe gefunden werden, und eine Woche später konnte man sein Dokument eventuell abholen.
Unsere Version war eine Reise nach Bulgarien. Wir wollten mit dem Zug über Kiev nach Odessa fahren, um dort mit dem Schiff übers Schwarze Meer nach Varna zu kommen. Diese Route war ungewöhnlich, wurde aber stirnrunzelnd akzeptiert.
So hatten wir ein Transitvisa für drei Tage und kauften eine Fahrkarte Dresden – Odessa. Die Fahrkarte mit dem Zielort Odessa war wichtig, um an der Grenze zu überzeugen.
Was es komischerweise ohne größeres Nachfragen im Dresdner Aeroflot Büro gab, waren Flüge innerhalb der Sowjetunion, die als offene Buchungen verkauft wurden. Diese Flüge wollten wir nutzen, um von Mittelasien wieder zurück bis an die Grenze zu kommen, denn für internationale Flüge hätte wieder ein gültiges Visa vorliegen müssen.
Weiterhin war es wichtig, ein fiktives Dokument mit dem Namen „Marschroute“ zur eventuellen Vorlage bei sowjetischen Behörden mit sich zu führen. Dieses Phantasiedokument wies uns als Reisegruppe aus, täuschte einen offiziellen Charakter vor und stellte die Reiseroute anhand mehrerer Stationen dar.
Wir besorgten uns einen Briefbogen einer Betriebssportgemeinschaft (BSG), erfanden die Sektion Touristik und Alpinistik, baten darauf um Unterstützung für unser touristisches Unternehmen, schrieben Namen, Ausweisnummern und unsere geplanten Reisestationen auf. Alles auf Russisch und in kyrillischer Schrift mit einer Schreibmaschine, die mir ein Kumpel lieh, dessen Frau als Dolmetscherin arbeitete. Gekrönt wurde das Dokument mit Stempel der Sektion Tennis und Unterschrift „Mit freundlichen Grüßen vom Natschalnik der Sektion Touristik und Alpinistik Ludwig“. Ludwig hieß der kürzlich verstorbene Opa meines Freundes. Was Besseres fiel uns nicht ein.
Nun konnte die Kraxe gepackt werden, Schlafsack, Zelt - und oben drauf der Reiseführer Bulgarien. Marschroute und Flugscheine mussten natürlich gut versteckt werden. Nichts durfte verdächtig erscheinen, denn der sowjetische Zoll war gefürchtet.
Die Umsetzung
Nach der Bestimmung des Reiseziels ging es nun hauptsächlich um das Wie, um das Überwinden von Grenzen,
um Grenzerfahrungen im wahrsten Sinne des Wortes.
Moskau, Roter Platz mit Lenin Mausoleum
Fahrkarte Dresden - Odessa
Aeroflot Flugschein